05.09.2002 / NRZ - Essen
Mehr als nur Schlagworte gegen prügelnde Männer
Der Runde Tisch "Häusliche Gewalt" hat gestern eine Bilanz seiner Zusammenarbeit gezogen. Jede dritte Frau, so die Schätzungen, wird in den eigenen vier Wänden zum Opfer.
Wer schlägt, muss gehen. Was lange Jahre nicht mehr als eine schlagwortartige Ankündigung gegen häusliche Gewalt war, ist Realität geworden und hat sich bewährt. Acht Monate nach der Einführung des Gewaltschutzgesetzes haben Staatsanwaltschaft, Polizei, Gleichstellungsstelle und der Verein "Frauen helfen Frauen" gestern eine Mut machende Bilanz ihrer verstärkten Zusammenarbeit zum Schutz der Opfer gezogen.
Nach Misshandlungen, sexuellen Übergriffen, Erniedrigungen oder Nötigungen in Beziehungen hat die Polizei seit Januar auf der Grundlage eines reformierten Polizeigesetzes 62 Rückkehrverbote gegen die meist männlichen Täter ausgesprochen, sie für zehn Tage der Wohnung verwiesen und eine Anzeige geschrieben. Während früher ein kurzfristiges Eingreifen und die Ingewahrsamnahme für eine Nacht die Regel war, wurden in diesem Jahr gegen Uneinsichtige sogar 25 Zwangsgelder von bis zu 2500 Euro verhängt. Bis zu drei Tage überwacht die Polizei, ob die Gewalttäter sich an die Auflagen halten. Den zivilrechtlichen folgen strafrechtliche Verfahren.
Das früher oft bagatellisierte Phänomen soll die vier Wände verlassen, Gewalt zwischen Mann und Frau ist keine Privatsache mehr, konsequente Parteinahme für die Opfer habe sich durchzusetzen. "Häusliche Gewalt hat erschreckende Ausmaße ", sagt Cordula Hißmann von der Frauenberatungsstelle. Jede dritte Frau wird zum Opfer, die Dunkelziffer wird auf 95 Prozent geschätzt. Das Frauenhaus mit seinen 32 Plätzen ist voll belegt, 161 Opfer ließen sich in 2001 beraten, im laufenden Jahr sind die Anfragen deutlich gestiegen.
Was für Cordula Hißmann "möglicherweise erste Erfolge einer intensiveren Vernetzung" der beteiligten Institutionen im Kampf gegen prügelnde und vergewaltigende Männer sind. Polizeipräsident Herbert Schenkelberg betonte den ganzheitlichen Ansatz des Vorgehens. So ist die Polizei gehalten, Beweise zu erheben und Anzeige zu erstatten auch ohne einen Strafantrag der Frau, die nach einem Übergriff häufig traumatisiert und nicht dazu in der Lage ist. Zudem gibt es eine Informationspflicht der Beamten: Sie haben die Opfer über mögliche Beratungen und Hilfen zu unterrichten. Zu diesem Zweck hat der Runde Tisch "Häusliche Gewalt" eine Broschüre aufgelegt, die die Polizisten bei ihren Einsätzen verteilen sollen.
Die Beamten im Wach- und Streifendienst sind für das lange verharmloste Tabu-Thema sensibilisiert worden, und auch die Staatsanwaltschaft ist nicht untätig geblieben: "Den Verfahren kommt bei uns besondere Aufmerksamkeit zu", sagt Oberstaatsanwalt Hans-Ulrich Pollender. Werde zum Beispiel eine Strafanzeige zurückgezogen, prüfe die Gerichtshilfe die wahren Gründe vor Ort. Nicht auszuschließen sei schließlich, dass die Frau erneut unter Druck gesetzt worden ist.
JÖRG MAIBAUM
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