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Auch neues Konzept nicht tragbar

Argumente zur Bibliotheks-Diskussion auf der Ratssitzung

Es wäre unredlich, wenn man verhehlen würde, dass sich die Verwaltung bemüht hat, die ursprünglichen Schließungsabsichten abzuschwächen. Es ist jedoch hahnebüchen, wenn die CDU dies als ihren Erfolg feiert, wo sie sich doch erst in Bewegung setzte, als sie eine breitere Diskussion und Bewegung zu spüren bekam.

Das vorliegende Konzept ist jedoch alles andere als akzeptabel. Es sieht weitere drastische Einschränkungen des Bibliotheksnetzes vor:

  • Die Bibliothek Stadtwald soll zwar ihre bisherigen Öffnungszeiten (17 Std./Woche, verteilt auf 3 Tage) beibehalten. Sie soll jedoch in Zukunft von einer statt zwei halben Stellen betrieben werden.
  • Die Bibliothek Stoppenberg soll ebenfalls ihre Öffnungszeit beibehalten (ganze 8 Std./Woche, verteilt auf 2 Tage). Auch hier soll die Arbeit in Zukunft jedoch von einer statt zwei halben Stellen bewältigt werden.
  • Die Bibliotheken in Altendorf und Schonnebeck, die wenig in der öffentlichen Diskussion waren, werden in Jugendbliothekszentren umgewandelt. D.h. sie haben nur noch ein sehr eingeschränktes Angebot an Literatur ("viel gefragte Titel der Belletristik" – also vielleicht Konsalik – und "Ratgeberliteratur") sowie drastisch eingeschränkte Öffnungszeiten (von 30 bzw. 28 Std./Woche auf 12,5 Std.). Die Stellen werden von 3 bzw. 2,5 auf jeweils 2 gekürzt, im Konzept ist von Mithilfe von Lehrern und Eltern die Rede.
  • Am stärksten trifft es jedoch die Bibliothek in Holsterhausen, die seit Jahren im Untergeschoß der Gesamtschule untergebracht ist. Sie soll in eine "Öffentliche Schulbibliothek" umgewandelt werden. D.h. das Angebot wird noch stärker eingeschränkt, als in den Jugendbibliothekszentren. Bleiben soll ein "Selbstlernzentrum" für die Schüler mit einem "Grundangebot". Die Öffnungszeiten werden von 27,5 auf 12,5 Std./Woche mehr als halbiert, die Stellen von 3,5 auf 1 (!).

Insbesondere in Holsterhausen ist zu befürchten, dass über kurz oder lang eine komplette Schließung droht. Das Konzept hierfür steht noch überhaupt nicht, wie man aus der Verwaltung hört. Die Schule, die Lehrer für die Bibliothek stellen soll, ist nur wirklich nur am "Selbstlernzentrum" für den Schulgebrauch interessiert.

Hinzu kommt, dass Holsterhausen einmal eine der großen Bibliotheken war. Die Verwaltungsvorlage selbst spricht davon, dass der Rückgang der Ausleihen um 31 % in den letzten 11 Jahren (von 101.294 in 1990 auf 69.555 in 2001) einer Verringerung des Angebotes durch einen zu geringen Beschaffungsetat für das "anspruchsvolle Publikum" in Holsterhausen geschuldet ist und der Tatsache, dass die Bibliothek durch den Umbau der Schule jahrelang ins Abseits geriet. Es liegt auf der Hand, dass die weitere Einschränkung der Bibliothek die Attraktivität gegen Null führt.

In jedem Fall wird es im ganzen Bezirk III gerade noch eine vollwertige Bibliothek geben, nämlich die in Frohnhausen. Das ist absolut untragbar. Der Essener Westen ist mit fast 100.000 Einwohner/innen der größte Bezirk in NRW und fast eine Großstadt für sich. Da der Bezirk sehr heterogen ist, ist überhaupt nicht zu erwarten, dass Frohnhausen zu einem Stadtteilbibliotheksmittelpunkt für den Bezirk wird. Von den 205.038 Ausleihen in den drei Bibliotheken des Bezirks III im Jahre 2001 wurden nur 77.020, etwas mehr als ein Drittel, in der Frohnhauser Bibliothek getätigt. Die Möglichkeit, Lesestoff oder andere Medien auszuleihen, wird erheblich eingeschhränkt.

Die in Holsterhausen angedeutete Möglichkeit der Zusammenarbeit mit der Katholischen Öff. Bibliothek St. Maria Empfängnis ist im übrigen ein Problem für die vielen Migranten und ihre Kinder im Westen: Die Schwellen werden dadurch höher gelegt.

Der Personalrat hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass er die Bibliotheken als Pflichtaufgabe ansieht, die in anderen Bundesländern höher gehängt ist und gesetzlich verankert ist. Damit hat er Recht. Hinzu kommt, dass insgesamt 11,5 hoch qualifizierte Stellen eingespart werden sollen. Dadurch wird die Belastung des Personals unerträglich gesteigert. Andererseits können die Betroffenen nicht einfach in der Zentralbibliothek eingesetzt werden, sonst wird der Sinn der Stellenstreichungen ja konterkariert, der Einspareffekt völlig verfehlt.

Eine Personalreserve wird selbst rechnerisch (Ausfall: runde 20 % für Urlaub und Krankheit wäre eine vernünftigte Größe) kaum erreicht, so dass man damit rechnen kann, dass bei unerwarteten Ausfällen auch schon einmal eine Bibliothek ganz zu bleibt. Ehrenamtliches Engagement kann keinen ausreichenden Ersatz bieten, sondern bestenfalls eine Ergänzung. Auch die Vorlage stellt fest: "Auch die dargestellten Beispiele nichtkirchlicher ehrenamtlicher Trägerschaft bzw. Mitarbeit aus anderen Städten konnten den Eindruck nicht vermitteln, dass es sich dabei um langfristig tragfähige Modelle handelt, zumal auch hier das finanzielle Engagement der jeweiligen Städte beachtlich blieb." (S. 5)

In Bezug auf das "Angebot" des Seniorenbeirates in punkto ehrenamtliche Mitarbeit konnte man bei einer Veranstaltung am 19.11. in Stoppenberg den Eindruck erhalten, dass der Seniorenbeirat nicht so richtig weiß, auf was er sich da einlassen will.

Im Vergleich zu anderen Großstädten wurden die Bibliotheken in Essen lange vernachlässigt worden.

1999, im Jahr der letzten Kommunalwahl, lagen die Gesamtausgaben für die Städtischen Bibliotheken mit 28,76 DM pro Einwohner weit hinter Städten wie München mit 50,11 DM, Hannover mit 40,05 DM, Dresden mit 39,41 DM oder auch Duisburg mit 33,41 DM. Dabei sind in den Essener Daten anders als in anderen Städten auch die hohen Mietkosten für die Zentralbibliothek enthalten.

Beim Erwerbungsetat pro Einwohner lag Essen damals mit ganzen 1,88 DM pro Einwohner und Jahr im Vergleich der 18 größten Städte der BRD (ohne Berlin) an vorletzter Stelle. Dass Essen auch bei den Entleihungen pro Einwohner mit 2,9 pro Jahr an vorletzter Stelle liegt, dürfte direkt damit zusammenhängen.

Der Beschaffungsetat ist in den letzten Jahren etwas erhöht worden. An der Anzahl der Einwohner pro Ausleihstelle hat sich jedoch nichts geändert: Nur vier Städte haben mehr Einwohner pro Ausleihstelle auszuweisen, als Essen mit 35.482 Einwohnern (alle statistischen Angaben aus: "Jahresbericht 2000" der Stadtbibliothek).

Deshalb wäre es dringend nötig, die Attraktivität der Bibliotheken zu steigern, statt sie einzuschränken. Man kann auch unschwer an den städtischen Zahlen belegen, dass die drei am meisten frequentierten Stadtteilbibliotheken (Huttrop, Überruhr und Freisenbruch mit jeweils 126.000 bis 193.000 Ausleihen) die best ausgestattetsten sind. Sie haben alle einen Bestand von 34.000 bis 40.000 Medien, gegenüber 11.000 in Stoppenberg.

Man kann sicherlich in Einzelfällen darüber reden, ob und wie das Netz der Stadtteilbibliotheken neu zu gestalten ist. Durch das vorliegende Konzept wird es an wesentlichen Punkten jedoch so "angeschossen", dass man fest davon ausgehen kann, dass in zwei, drei Jahren eine Debatte um weitere Schließungen der "Restbibliotheken" kommt.

Der jetzige Vorschlag wird jedoch das Nichtlesen und die weitere Zentralisierung des Netzes fördern. Schon 2000 war der Bestand der Zentralbibliothek mit 873.271 Medien mehr als 2,5mal so hoch, wie der aller Stadtteilbibliotheken zusammen mit 322.087 Medien. Die Zahl der Ausleihen war mit 2,2 Millionen mehr als doppelt so hoch, wie die aller Stadtteilbibliotheken zusammen mit 1,03 Millionen.

Interessant ist, dass der Bedarf an der Ausleihe von Büchern und anderen Medien und insbesondere an den Stadtteilbibliotheken trotz sinkender Einwohnerzahlen und schlechterem Angebot in etwa gleichgeblieben ist. 1990 gab es 1.099.065 Ausleihen in allen Stadtteilbibliotheken, 2001 1.062.262 (das sind nur – 3,35 %). Das dürfte vermutlich damit zusammenhängen, dass Bücher immer teurer sind, und gerade viele Kinder und Jugendliche sich keine eigenen leisten können und daran, dass die Wege zu den Stadtteilbibliotheken kurz sind. Es ist also klar, wer durch Schließungen bzw. andere Einschränkungen getroffen wird – nicht die "oberen 10.000". Und es ist auch klar, dass niemand mit nachlassendem Bedarf argumentieren kann, wie dies z.B. bei den Bädern geschah.

Deshalb ist das vorliegende Konzept abzulehnen. Eine vorläufige, in ein oder zwei Jahren zu überprüfende Einführung des Konzeptes, wie sie Bündnis 90/Grüne für die Ratssitzung jetzt beantragen, bringt nichts. Dann ist das Kind in den Brunnen gefallen. Wenn die Bibliotheken nicht mehr angenommen werden – sei es durch die Einschränkung der Öffnungszeiten, die Verringerung der Bestände oder schlecht ausgebildetes ehrenamtliches Personal – wird es schwer, sie wieder aufzubauen.

Wer die Bibliotheken wirklich will, der muss sie erhalten und letztlich auch über den Schatten des Konsolidierungskonzeptes springen, das ohnehin nicht mehr eingehalten wird. Und dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Ausleihe von Büchern aus finanzieller Sicht ein billiger Beitrag zur städtischen Kulturpflege ist. Ohne etwas gegeneinander ausspielen zu wollen: Eine Ausleihe wird von der Stadt mit 2,08 Euro subventioniert, jede Eintrittskarte bei der Theater und Philharmonie GmbH mit weit über 100 Euro.

 

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