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STADTROTINFO
NR. 11,März 2002
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Bürgerbegehren vor den Kopf gestoßen

Saalbau: Ein klein bisschen Soziales und viel Prestigeprojekt

Angesichts von sozialen Kürzungen, Bäderschließungen und geplanten drastischen Einschnitten bei den Bibliotheken ist es erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit sich nicht nur CDU, FDP und REP, sondern auch die Grünen über die drastische Kostensteigerung von 98 Mio. DM auf 126 Mio. DM hinweggesetzt haben.“ So wertete die PDS-Gruppe im Rat in einer Pressemitteilung eine der vermutlich wichtigsten Entscheidungen der laufenden Amtszeit des Rates. Am 19. Dezember 2001 stimmte der Rat gegen SPD und PDS für den Umbau des Saalbaus zu einer Philharmonie.
Die höheren Baukosten führen nach dem vorliegenden Baumodell allein beim Verwaltungshaushalt zu einer jährlichen Belastung von 7,7 Mio. DM statt 6 Mio. DM in den nächsten 22,5 Jahren (!). Hinzu kommen mindestens 1 Mio. DM für das Konzerthausmanagement. Es geht also um 195 Mio. DM in 22,5 Jahren, wobei Zahlen aus anderen Städten eher 3 Mio. DM statt 1 Mio. DM für ein Konzerthausmanagement nahe legen.

 

Soziale Rosstäuscherei

Der Grüne Fraktionssprecher Mehrdad Mostofizadeh erklärte im Rat, die Zustimmung der Grünen sei eigentlich nicht notwendig gewesen, da CDU und FDP in jedem Fall zugestimmt hätten. Dies ist nur formal richtig. Tatsächlich war es der CDU wichtig, die drei Parteien „ins Boot“ zu bekommen, die das Bürgerbegehren gegen den Philharmonie-Neubau als Erstunterzeichner mitgetragen haben. Deshalb machte die CDU einige Zugeständnisse im sozialen Bereich. Von der Wiedereinführung der Schulmilch und der Schule von 8 bis 1, von Maßnahmen zur Verbesserung der Wiedereingliederung alleinerziehender Sozialhilfeempfänger/innen und der Überprüfung der Kleiderpauschale war die Rede.

Bei näherem Hinsehen erweisen sich diese Zugeständnisse jedoch überwiegend als Rosstäuscherei. Bestenfalls die kostenlose Schulmilch für die Kinder von Sozialhilfeempfängern wird im früheren Umfang wieder eingeführt. Dabei geht es um ganze 693.000 DM, die durch die Kürzung jährlich gekappt wurden.

Schon die Gebührenfreiheit für die Schule von 8 bis 1 soll nicht voll wiederhergestellt werden. Vielmehr sollen lediglich die Einkommensfreigrenzen angehoben werden. Dabei gehen CDU, FDP und Grüne von einem Betrag zwischen 24.000 DM und 48.000 DM aus. Man kann davon ausgehen, dass ein Jahreseinkommen von 2.000 DM für mindestens ein Elternteil und ein Kind in dem Bereich liegt, in dem man zusätzliche Sozialhilfe beantragen kann – soviel zum Thema „soziale Gerechtigkeit“.

Die angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung der Wiedereingliederung von alleinerziehenden Sozialhilfeempfänger/innen waren schon im Pro-Chip-Bericht 2000 geplant. Und die Schaffung von Stellen im Rahmen des Pro Chip-Programms beim Grünflächenamt – ein Jahr auf der Basis „Arbeit statt Sozialhilfe“ und drei Jahre mit befristeten Arbeitsverträgen – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um den Ersatz fester Arbeitsplätze durch Niedriglohn-Beschäftigung geht. Der Anteil der Qualifizierung bleibt dabei fraglich. Im übrigen ist es unklar, ob die Maßnahme nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz rechtlich überhaupt möglich ist (Befristungen über zwei Jahre sind nur sachlich begründet zulässig).

Auch die vereinbarte Überprüfung der Bekleidungspauschale für Sozialhilfeempfänger/innen durch die Verbraucherberatung, die im Rahmen der Haushaltskonsolidierung von 520 DM auf 450 DM gekürzt wurde, ist ein Windei. Denn eine solche Überprüfung wäre ohnehin möglich. Im übrigen laufen gegen die Kürzung noch Klagen von Sozialhilfeempfängern, die die im Sozialhilfegesetz vorgeschriebene Bedarfsdeckung durch die Pauschalen-Kürzung in Frage gestellt sehen.

Metropolen-Anspruch


Für die Grünen ist die Zustimmung zu dem weit über die vorhandenen Sponsoren- und Landesgelder hinausgehenden Umbau des Saalbaus zu einer Philharmonie ein weiterer Schritt weg von der früher von ihnen entfalteten Kritik an einer Politik, die auf teure Prestigeprojekte und Städtekonkurrenz setzt. Es geht um den Anspruch der Stadt Essen, die Metropole des Ruhrgebiets zu sein. Dabei ist angesichts des inzwischen weit fortgeschrittenen Philharmonie-Neubaus in Dortmund und entsprechender weiterer Planungen in Bochum immer unklarer, ob der Bedarf für eine weitere Philharmonie überhaupt vorhanden ist, oder ob die Philharmonie nicht ein zweites Gildehofbad wird.

Immerhin stimmte neben SPD und PDS auch ein Mitglied der Fraktion der Grünen gegen die Saalbau-Vergabe: Maria Jammes, die kurz danach aus dem Rat zurücktrat. Barbara Hoffmann beteiligte sich nicht an der Abstimmung und trat anschließend aus der Grünen Ratsfraktion aus, blieb aber im Rat.

Die ehemaligen Sprecher des Bürgerbegehrens haben sich wiederholt auch nach der Entscheidung gegen die jetzige Planung gewandt. Ihre Alternativ-Vorschläge blieben nach ihren Schätzungen im Kostenrahmen, gleichzeitig ermöglichten sie eine bessere Nutzung des Saalbaus für Vereine und Organisationen. Ein Antrag der PDS-Ratsgruppe, einen der fünf Alternativvorschläge der Vertreter des Bürgerbegehrens auszuschreiben, um ihn kostenmäßig zu überprüfen, und eine Entscheidung über die Umbau-Variante bis dahin zu verschieben, wurde von der Ratsmehrheit abgelehnt.

Insofern ist der Vorwurf des Betruges an den Zielen des Bürgerbegehrens gegen einen Philharmonie-Neubau nur zu berechtigt.

Wolfgang Freye


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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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