Ratsgruppe Essen


 

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STADTROTINFO
NR. 9, August 2001
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Und wieder Vertreibung angesagt

Pferdebahn ist keine Lösung für den "Drogenstrich"

Unterstützt von CDU, FDP und REP will die Verwaltungsspitze den derzeit an der Münchener Straße angesiedelten "Drogenstrich" zum zweiten Mal in gut eineinhalb Jahren vertreiben. Er soll zur Pferdebahn in Essen-Altendorf verlagert werden, wo seit vielen Jahren ein professioneller Straßenstrich ist. Die PDS-Gruppe im Rat hält diesen Vorschlag für völlig ungeignet. Der Standort ist viel zu weit von den Hilfseinrichtungen entfernt. Auch eine gute ÖPNV-Anbindung in die Innenstadt ist nicht vorhanden. Außerdem konnte man schon in der Vergangenheit beobachten, dass eine bewusste Konzentration des Straßenstrichs auf einen Standort nicht funktioniert. Wiederholt führte die Konkurrenz zwischen professionellen und drogenkranken Huren sogar zu handfestem Streit, der mit der Vertreibung der drogenkranken Prostituierten endete.

Auf diese Probleme hat die PDS auch bei den beiden Gesprächen hingewiesen, zu denen der Oberbürgermeister zu diesem Thema eingeladen hatte. Während beim ersten Gespräch im Juni noch der Versuch im Vordergrund stand, einen Konsens zu finden, war von solchen Bemühungen beim zweiten Gespräch im Juli nichts mehr zu spüren. Auch SPD und Grüne ließen keinen Zweifel daran, dass sie den Standort Pferdebahn für nicht geeignet halten. Trotzdem wurden Alternativen nicht ernsthaft diskutiert. Oberbürgermeister Dr. Reiniger brach das Gespräch nach einer Stunde ab, um der schon wartenden Presse vorbereitete Statements abzugeben.

Nicht umsetzbar

Absehbar ist, dass sich eine erneute Verlagerung des "Drogenstrichs" an die Pferdebahn ohne politischen Konsens und ohne Mitwirkung der Hilfsorganisationen und -einrichtungen nicht umsetzen lassen wird. Die drogenabhängigen Prostituierten, die derzeit an der Münchener Straße ihrem Geschäft nachgehen, werden den Standort ohne sie nicht annehmen. Zu befürchten ist vielmehr, dass sie eher wieder in die Innenstadt gehen werden, um ihrem Geschäft unkontrolliert im Sperrbezirk nachzugehen - mit der Folge, dass die Prostituierten auch wieder leichter Beute gewalttätiger Freier werden.

Auch der Verein Krisenhilfe e.V. hat inzwischen deutlich erklärt, dass sie die Pferdebahn für keinen geeigneten Standort hält und an einer Vertreibung dahin nicht mitwirken wird. Enttäuscht ist der Verein auch darüber, dass die Verwaltungsspitze sich erneut um politische Verantwortung drücken will. Denn eine klare politische Aussage für einen Standort lehnen Verwaltungsspitze und Mehrheitsparteien nämlich nach wie vor ab, während beide erwarten, dass die Hilfsorganisationen die Verlagerung organisieren. Oberbürgermeister Dr. Reiniger wörtlich: "Wir betreiben schließlich als Stadt kein Bordell." Die Antwort der Krisenhilfe: "Wir als Krisenhilfe selbstredend auch nicht."

Kaum umsetzbar ist der Vorschlag Pferdebahn auch deshalb, weil er ordnungsrechtlich eine Erweiterung des Sperrbezirks voraussetzt. Bisher ist nur die Innenstadt Sperrbezirk. Um der Polizei Möglichkeiten zum Einschreiten zu geben, müsste er aber auf die Münchener Straße ausgeweitet werden. Eine Ausweitung des Sperrbezirks kann jedoch nur vom Regierungspräsidenten erlassen werden - und das dauert zumindest lange. Es ist in jedem Fall vor allem für die anschaffenden Frauen problematisch. Feministische Organisationen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Sperrbezirke vor allem die Frauen treffen.

Unternehmensinteressen gegen Soziales

Für die PDS-Gruppe stand bei der Diskussion um den "Drogenstrich" stets die soziale und gesundheitliche Seite des Problems im Vordergrund. Aus diesem Grunde haben wir uns schon vor Monaten dafür ausgesprochen, den Strich - wenn überhaupt - wieder in die Innenstadt zu verlegen, an das untere Ende der Hachestraße. Dort sind in den letzten Jahren sämtliche Hilfseinrichtungen angesiedelt worden, zuletzt das neue Gebäude der Krisenhilfe mit dem gerade erst eröffneten "Druckraum". Zu einer solchen Verlagerung müßte der Sperrbezirk zumindest zeitlich befristet aufgehoben werden, wie es schon einmal war.

Es wäre problemlos möglich, auf freiem Geände in der Nähe auch eine Art "Utrechter Modell" zu entwickeln, d.h. vor allem kontrollierte und für die Huren akzeptable Arbeitsbedingungen zu schaffen. Solche Überlegungen waren jedoch auch für SPD und Grüne kein Thema.

Warum die Mehrheitsparteien die Alternative Hachestraße nicht wollen, liegt dabei auf der Hand: In dem Viertel wohnt zwar kaum jemand, aber die Banken sind nicht weit. Außerdem will die Bahn AG das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs irgendwann vermarkten. Auch an der Münchener Straße haben neben den Anwohnern der angrenzenden Straßen vor allem Unternehmen protestiert. Und es ist nicht absurd zu behaupten, dass gerade dieser Protest die CDU zum "Einknicken" gebracht hat.

Wolfgang Freye

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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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