Ratsgruppe Essen


 

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STADTROTINFO
NR. 9, August 2001
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US-Leasing-Geschäft: Kapitalismus pur

Messe als Objekt der Spekulation und (legalen) Steuerhinterziehung

CDU, FDP und REP beschlossen ohne jede kritische Anmerkung im nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung im Juni einen Deal der besonderen Art: Die Messe Essen soll für 633 Mio. DM für einen Zeitraum von 99 Jahren an einen US-Trust verleast werden und von der Stadt Essen sofort wieder zurückgepachtet werden. Während die SPD trotz einiger kritischer Stimmen aus ihren Reihen dem Deal zustimmte, änderten die Grünen im letzten Moment ihre Meinung und stimmten gemeinsam mit der PDS mehrheitlich dagegen. Zunächst wollten sie unter bestimmten Bedingungen zustimmen.

US-Leasing-Geschäfte erfreuen sich im Augenblick in vielen Kommunen großer Beliebtheit, bringen sie doch scheinbar problemlos einige Millionen in die leeren Kassen. Verkauft werden Stadtwerke, Abwasserentsorgungsbetriebe, Messen und anderes. Im Kern handelt es sich um Steuer"spar"modelle für große Konzerne und Versicherungen in den USA. Die gründen einen Trust in einer Steueroase in den USA, leasen z.B. die Messe in Essen und setzen die Investition - nach US-Recht kommt ein solcher Leasing-Deal einem Kauf gleich - von der Steuer ab. An der Steuerersparnis wird der Geschäftspartner beteiligt. Essen rechnet mit 30 bis 40 Mio. DM.

"Das US-Leasing-Geschäft ist ein Spekulaltionsgeschäft reinsten Wassers, es ist Kapitalismus pur," stellte die PDS im Rat fest. Sie war die einzige Partei, die von Anfang an das Geschäft grundsätzlich ablehnte. "Wir wollen, das Wirtschaft und Gesellschaft sozial und demokratisch gestaltet werden. Aus diesem Grund sind wir gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums, aus diesem Grunde sind wir gegen einen Deal, der zwar nicht nach deutschem, aber nach amerikanischem Recht eine Übertragung von Eigentum ist." Spekuliert wird z.B., daß die rechtlichen Rahmenbedingungen in den nächsten 99 Jahren unverändert bleiben - ein Risiko, das vor allem unsere Kinder tragen.

Die steuerlichrechtliche Position in den USA ist äußerst wackelig, darauf wies vor allem der Fachjournalist Werner Rügemer aus Köln auf einer Pressekonferenz der PDS-Ratsgruppe hin. Daneben blieben weitere Fragen offen, die die PDS in einem Fragenkatalog vorgelegt hatte: So liegt bisher die Genehmigung der Kommunalaufsicht nicht vor und es fehlt eine Stellungnahme des örtlichen Finanzamtes. Wie hoch das Haftungsrisiko der Stadt tatsächlich ist, auch darauf keine Antwort. Das Geschäft soll bis zum Jahresende abgewickelt sein. Es kann aber auch immer noch scheitern. Es gibt auch Kommunen, die es dann doch sein lassen, wie Stadt und Landkreis Aachen. Dort ist nach 3-4jährigen Verhandlungen gerade ein Geschäft geplatzt, und zwar an Bedenken der Kommunalaufsicht, an Änderungen im amerikanischen Steuerrecht und vor allem an den nicht zu beherrschenden Risiken. Wer zahlt z.B., wenn das Müllheizkraftwerk, um das es dort ging, durch ein Erdbeben zerstört wird? Auf den Beratungs- und Rechtsanwaltskosten bleiben Stadt und Landkreis hängen, wahrscheinlich deutlich über 10 Mio. DM.

Die offenen Fragen allein wären in Essen Grund genug gewesen, mit der Beschlußfassung zu warten. Ein Antrag der PDS wenigstens erst dann endgültig zu beschließen, wenn die fertigen Verträge dem Rat zur Einsicht vorgelegen haben, wurde abgelehnt - nicht nur mit den fast schon üblichen Stimmen von CDU, FDP und REP, sondern auch von der SPD. Damit hat der Rat sich selbst kastriert und der Verwaltung bei der Vertragsgestaltung einen Freibrief ausgestellt. Verantwortung wahrnehmen ist etwas anderes.

(Gabriele Giesecke)

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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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