Ratsgruppe Essen


 

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STADTROTINFO
NR. 9, August 2001
Stadtrotinfo
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Eigenheime über Eigenheime ...

CDU Bebauungspolitik stößt auf Widerstand

41 Flächen in ganz Essen hat der Planungsausschuß im Januar mit den Stimmen der CDU-Mehrheit auf eine Prioritätenliste gesetzt. Schnellstmöglich soll die Verwaltung die Liste abarbeiten und eine Bebauungsplanung ermöglichen, vorwiegend mit Einfamilienhäusern. Insgesamt geht es um 4223 Wohneinheiten. Brav unterstützt wird die CDU dabei von der Drei-Punkte-Partei und den rechtsradikalen REP.

Keine sieben Monate später ist klar, daß es so schnell nicht gehen wird: Dort, wo die Planungen konkreter werden, gibt es heftige Proteste. In Haarzopf hat sich schon früh eine Initiative gebildet, in Katernberg am letzten Wochenende. Am Donnerberg in E.-Borbeck hat eine Initiative der Anwohner bereits dafür gesorgt, dass eine F1äche ganz zurückgenommen werden mußte: Sie protestierte bei der Unteren Landschaftsbehörde, weil es sich um ein Naturschutzgebiet handelte.

Dabei geht es den Mehrheitsparteien nur vordergründig um die Einwohnerverluste der Stadt Essen. Alle Großstädte haben Einwohnerverluste zu verzeichnen. Und es ist hahnebüchen, so zu tun, als ob diese Einwohnerverluste - Essen ist im letzten Jahr erstmals auf knapp unter 600.000 Einwohner gesunken - allein oder auch nur vor allem durch den Ausweis von F1ächen zum Eigenheimbau gestoppt werden könnte.

Spätfolgen des Strukturwandels

Bürgerbeteiligung Haarzopf: Breite Ablehnung

Die Bezirksvertretung Essen-West lehnte die Einleitung einer Bürgerbeteiligung mit den Stimmen von SPD, Grünen und PDS ab, solange kein Gesamtkonzept für Haarzopf vorliegt. Der Ausschuß für Stadtplanung stimmte inzwischen jedoch zu, übrigens auch mit den Stimmen der SPD. Das Ergebnis jedoch ist deutlich: Die geplante Bebauung am Rottmannshof wird breit abgelehnt. Die Bürgerinitiative "Rettet Haarzopf/Fulerum", zu deren Protestversammlung in der Kirche bestimmt 3-400 Leute kamen, findet viel Zuspruch.

Bei der Bebauungsplanung Rottmannshof geht es zwar "nur" um 60 Wohneinheiten, insgesamt sieht die von der CDU durchgeboxte Planung jedoch 1.200 Wohneinheiten für Haarzopf vor, überwiegend Einfamilienhäuser. Haarzopf liegt damit an der Spitze der von der Verwaltung ausgewiesenen möglichen Bauflächen, in keinem anderen Stadtteil ist mehr geplant. Etliche schöne Ecken sind dabei als Häuser für das mittlere Management gedacht - Baugrundstücke mit Quadratmeterpreisen von bis zu 700 DM eher auch für noch höhere Einkommensklassen.

Wird die Bebauung in vollem Umfang durchgesetzt, wird die Rolle Haarzopfs mit seinen Feldern und Grünflächen als Naherholungsbereich für den Essener Westen stark eingeschränkt. Ökologisch hat Haarzopf eine wichtige Funktion als Frischluftschneise, die dahin wäre. Hinzu kommt: Die Verwaltung plant zwar locker die Erschließung von Bauflächen, die nötige Infrastruktur an Läden, Kindergärten und Schulen spielt jedoch keine Rolle. (wof)

Eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung (RWI) geht davon aus, dass das ganze Ruhrgebiet bis zum Jahr 2015 rund 374.000 Einwohner verliert (rund 7 %). Essen schrumpft mit einem Verlust von 13,7 % zwar am stärksten. Dies ist jedoch in erster Linie eine heute unumkehrbare Folge des Strukturwandels der 70er und 80er Jahre. Durch die drastischen Arbeitsplatzverluste im Montanbereich zogen vor allem junge Leute weg, viele Familien mit Kindern. Deshalb fehlt heute der Nachwuchs.

Auch in einer vielzitierten Untersuchung des Amtes für Statistik, Stadtforschung und Wahlen zu den Wanderungsmotiven von (ehemaligen) Einwohnern, die in den letzten Jahren weggezogen sind, ist der in Essen nicht zu erfüllende Wunsch nach einem Eigenheim nur einer von vielen, und mit 8 % der Befragten ist der Anteil noch nicht einmal sehr hoch. 70 % der Weggezogenen wohnen auch am neuen Wohnsitz zur Miete.

An erster Stelle der Wegzugsmotive steht - kaum verwunderlich - der Berufswechsel. Und was an der Untersuchung auch deutlich wird: Auch das Wohnumfeld spielt bei den Wegzügen eine wichtige Rolle - und das wird durch die Bebauungs- und vor allem die Verdichtungspläne eher schlechter. Die Lebensqualität wird durch die zusätzliche Bebauung sinken.

Chancen nutzen statt Klientel-Politik

Keine Nachverdichtung in Katernberg!

70 Personen nahmen am 11.8.2001 an der Gründung der Bürgerinitiative Zollverein teil. In ihr schlossen bisher vorwiegend Mieterinnen und Mieter der ehemaligen Bergarbeitersiedlung Zollverein X zusammen. Eigentümerin der Siedlung ist Viterra. Der Protest richtet sich gegen die Absicht der Viterra, im Zuge der Privatisierung der Siedlungshäuser Teile zu den Häusern gehörenden Gärten mit Eigenheimen zu bebauen.

Die versammelten Mieter verabschiedeten einen Forderungskatalog. Sie lehnen die Nachverdichtung ab, wollen eine ständige gründliche Instandsetzung der Häuser, nur in Absprache mit den Bewohnern sollen Veränderungen vorgenommen werden, die Siedlung als Ganzes soll unter Denkmalschutz gestellt werden. Von den Behörden und Politikern erwarten die Bürger die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse. Die Bürgerinitiative lehnt die Privatisierung nicht pauschal ab, es soll aber niemand zum Kauf gezwungen werden können. Sie stellt den Mieterschutz daher deutlich in den Vordergrund.

Mitglieder des Mietervereins "Mietergemeinschaft Essen" informierten auf Einladung der BI die Mieter über ihre Rechte und boten Unterstützung an. Der Vorschlag von Gisela Beloch, Sprecherin der Bürgerinitiative Haarzopf, die Initiativen gegen die Zubetonierung von Essen stadtweit zu vernetzen, wurde von der BI begrüßt. (syb)

All das legt den Schluß nahe, dass es der CDU tatsächlich vor allem darum geht, ihr Klientel zu bedienen. Wer es sich leisten kann, strebt eben nach Eigentum, und dieses Streben soll belohnt werden. Und ein paar tausend Eigenheim Bauplätze mehr wirken auch bei Wahlen mobilisierend. Dabei haben die Einwohnerverluste natürlich fiskalische Folgen: Sie reißen Lücken im Haushalt, der Einkommenssteuer-Anteil der Stadt sinkt, wenn die Einwohnerzahl und das Gesamt-Aufkommen an Einkommensteuer sinken. Diese Frage muß jedoch anders geklärt werden, z.B. durch eine stärkere Berücksichtigung der Oberzentrumsfunktionen einer Großstadt im Finanzausgleich.

Sieht man die Sache so, könnte man die Einwohnerverluste der Stadt sogar als Chance sehen. Das Ruhrgebiet und auch die Stadt Essen ist schließlich erst vor kaum 150 Jahren zu einem Ballungszentrum geworden, die Siedlungspolitik war wildwüchsig und folgte den Interessen der Kohle- und Stahlbarone. Dabei ist Essen nach Herne die am dichtesten besiedelte kreisfreie Stadt in NRW. Sie hat rund 3.000 Einwohner/qm, eine Stadt wie Köln z.B. knapp 2.400. Da könnte Entflechtung doch etwas bringen in punkto Lebensqualität vorausgesetzt, man will längerfristig planen.

Und für eine erforderliche Neubebauung sollten vorwiegend die ehemaligen Industriebrachen genutzt werden. Davon hat Essen mehr als den Krupp-Gürtel

Wolfgang Freye

Auch die Bäderschließungen führen zu weniger Lebensqualität in den Stadtteilen. Der Bürgerentscheid ging knapp verloren, auch wenn die Stimmen in den Bezirken, in denen das Kuhlhoff-Bad und das Nöggerath-Bad liegen, gereicht hätten. Unser Bild zeigt die Eröffnung des "Dr. Wolfgang Reiniger-Alternativ-Bades" am Rhein-Herne-Kanal, eine der Aktionen während des "Wahlkampfes".

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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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