Ratsgruppe Essen


 

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STADTROTINFO
NR. 6, MÄRZ 2001
Stadtrotinfo
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Flüchtlingsheime werden leergezogen

Platz für deutsche Eigenheime statt Schließung der schlimmsten Heime

Grundsätzlich stieß die Absicht der Verwaltung, in den nächsten Jahren Obdachlose, Flüchtlinge und Aussiedler verstärkt in Wohnungen zu vermitteln und einige Übergangsheime zu schließen, in der Februar-Ratssitzung bei allen Parteien im Rat auf Zustimmung. Die Motive dafür sind jedoch unterschiedlich. Der Verwaltung geht es vor allem um die Kosten: Die Heimunterbringung ist heute teurer, als die Vermittlung in billige Wohnungen.

Gleichzeitig wollen CDU und ihr Anhängsel FDP Platz für Eigenheime schaffen. Der PDS ging es dagegen vor allem darum, die von Hilfsorganisationen immer kritisierte Unterbringung der Flüchtlinge in Heimen zu beenden. Diese unterschiedlichen Motive zeigen sich in der Auswahl der Heime, die als erste geschlossen werden sollen. Es sind nicht etwa die Heime, die den schlechtesten Standard und damit den höchsten Instandsetzungsbedarf haben. Sonst wäre nicht zu erst das Übergangsheim Schnitterweg betroffen, sondern der Graitengraben, die Klapperstraße, die Bischoffstraße u.a., bei denen der Investitionsbedarf deutlich über dem des Schnitterwegs liegt. Nein, bei der Reihenfolge der Schließung von Übergangsheimen geht es um die Vermarktungsmöglichkeiten. Die Grundstücke am Schnitterweg eignen sich hervorragend zur Bebauung mit Eigenheimen und ergänzen die Planungen am Donnerberg. Noch in diesem Jahr, so CDU-Ratsfrau Eckenbach, soll das Heim geräumt werden.

Schlimmste Heime zuerst schließen!

Pro Asyl und andere Hilfsorganisationen hätten dagegen einiges dazu beitragen können, welche Unterkünfte aus der Sicht der betroffenen Bewohner als erste geschlossen werden müssten. Leider hat die Verwaltung diesen Sachverstand nicht genutzt. Als völlig ungeeignet und als erstes aufzulösen wäre dann sicherlich die Container-Siedlung Overhammshof 29, besser bekannt als "Kutel". Das "Kutel", landschaftlich sehr reizvoll gelegen, aber fern ab jeglicher Infrastruktur (alle Stunde ein Bus, keine Läden, keine Schulen, keine Ärzte, endlose Wege zu den Ämtern) hat wie kein anderes Übergangsheim in Essen Lagercharakter.

Gegen heftige Kritik gerade wegen dieses Lagercharakters wurde das Kutel errichtet - weil Essen damals schnell Unterbringungen für Flüchtlinge schaffen mußte. Es war eine Notlösung, die Zeiten der Not sind jedoch vorbei. Das Kutel ist mit 45,7% Belegung das am niedrigsten ausgelastete Übergangsheim Essens. An der geringen Belegung kann man ablesen: Niemand will hier untergebracht werden und niemand bringt hier gern jemanden unter - eben nur als Notlösung. Da ist es widersinnig und gegen die Interessen der Flüchtlinge, wenn jetzt in Folge der Schließungen anderer Übergangsheime womöglich ausgerechnet dieses Lager wieder stärker belegt wird. Dies legt eine Formulierung des ursprünglichen Antrages der Verwaltung nahe, in dem es hieß, die Unterbringungskapazitäten sollten "optimal" genutzt werden bis zu einer durchschnittlichen Belegungsdichte von 8 qm pro Person. Bisher galten nach einem Beschluß des Rates 8 qm als Untergrenze an Wohnfläche, die jedem Flüchtling zusteht. Die Formulierung "durchschnittliche Belegungsdichte" hätte es jedoch zugelassen, dass Menschen weniger als 8 qm zur Verfügung haben.

Mindestwohnraum gesichert

Der Ansatz, dass die aus der Sicht der Betroffenen schlimmsten Heime als erstes geschlossen werden sollen, konnte nicht durchgesetzt werden. Demvon Grünen und PDS gestellten Antrag, die Übergangsheime Overhammshof und Bischoffstraße sofort zu schließen, wurde nur von SPD, Grünen und PDS unterstützt.

Immerhin wurde die Verwaltung jedoch mit breiter Mehrheit verpflichtet, auch künftig jedem Bewohner eines Übergangsheimes mindestens 8 qm Wohnfläche zur Verfügung zu stellen. Außerdem soll sie durch Hilfen bei der Wohnungsvermittlung darauf hin wirken, dass Obdachlose, Flüchtlinge und Aussiedler aufs ganze Stadtgebiet verteilt werden, um eine Ghettobildung zu vermeiden. Damit soll die soziale Integration erleichtert werden. Auch die soziale Betreuung für Flüchtlinge soll nach dem Ratsbeschluss trotz dezentraler Unterbringung aufrechterhalten werden.

Gabriele Giesecke
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DNA-Analysen bei angeblichen "Scheinasylanten" rechtswidrig

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion aus NRW, hat sich bei einem Besuch im November in Essen ausführlich über die rassistische Kampagne von Rechtsdezernent Ludger Hinsen gegen Flüchtlinge aus dem Libanon informiert. Anfang des Jahres stellte sie eine Kleine Anfrage zu DNA-Analysen gegen angebliche "Scheinasylanten".

In 40 Fällen hat die Essener Staatsanwaltschaft solche DNA-Analysen inzwischen durchführen lassen, allesamt gegen Libanesische Flüchtlinge, die oft seit mehr als 10 - 15 Jahre in Essen leben und verdächtigt werden, nicht aus dem Libanon geflüchtet zu sein. Durch die DNA-Analysen soll bewiesen werden, dass die Betroffenen mit Familien aus Kurdistand oder der Türkei verwandt sind - was gar nichts belegt, denn viele Flüchtlinge aus dem Libanon sind ursprünglich aus der Türkei eingewandert.

Zum Ergebnis der Anfrage erklärte Ulla Jelpke am 2. März 2001:

DNA-Analysen gegen angebliche "Scheinasylanten" sind rechtswidrig. Das hat jetzt auch die Bundesregierung bestätigt.

Weil in mehreren Städten in NRW, vor allem in Essen, von dem dortigen CDU-Rechtsdezernenten seit Monaten eine rassistische Kampagne gegen angebliche "Scheinasylanten" läuft, bei denen seit Jahrzehnten hier lebende Flüchtlinge insbesondere aus dem Libanon auf einmal wegen einem angeblichen "Asylbetrug" und angeblich falscher Papiere mit Razzien und DNA-Analysen überzogen werden, hatte ich die Bundesregierung nach der Rechtmäßigkeit solcher DNA-Analysen gefragt.

Das 1998 verabschiedete DNA-Identitätsfeststellungsgesetz legt bereits fest, dass DNA-Analysen nur bei "mittelschwerer Kriminalität" stattfinden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hatte zusätzlich kürzlich in einem Grundsatzurteil entschieden, dass in jedem Einzelfall geprüft werden müsse, ob Wiederholungsgefahr bestehe, da jede DNA-Probe einen erheblichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte bedeute.

Die Antwort der Bundesregierung bestätigt mich nun in meiner Auffassung, dass Kampagnen wie die in Essen offensichtlich rechtswidrig sind. Die Regierung hat mir geantwortet, dass bei Straftaten wegen angeblich falscher Papiere (Verstoß gegen § 92 Ausländergesetz) "in der überwiegenden Zahl derartiger Straftaten die Schwelle der mittleren Kriminalität ... nicht erreicht" werde. Von den 93.000 derzeit im Bundeskriminalamt gespeicherten DNA-Proben sind ganze zwei wegen Verstößen gegen Vorschriften des Ausländergesetzes erfolgt. Das Vorgehen gegen angebliche "Scheinasylanten" wie in Essen ist also nicht nur rassistisch, es ist auch schlicht rechtswidrig.


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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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