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STADTROTINFO
NR. 6,
MÄRZ 2001
Stadtrotinfo
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Inhalt
Auf dem rechten Auge blindUnzureichende Beschlusslage des Rates gegen Rechtsradikalismus
Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten hat sich in Essen im letzten Jahr verdreifacht. 44 einschlägige Straftaten registrierten Essens Staatsschützer 1999, 137 im Jahr 2000. Die Zahlen sind vielleicht etwas mit Vorsicht zu genießen. Doch auch wenn die Steigerungsrate etwas geringer sein sollte, als 211 % - sie ist im Bundesvergleich gigantisch. Bundesweit wurden 1999 insgesamt 10.037 rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten registriert, im letzten Jahr 15.951, das ist eine Steigerung um 59 %. Die Versuche der Essener Polizei, diese Entwicklung zu verharmlosen, stehen im umgekehrten Verhältnis zu dieser Entwicklung. Seit Jahren leugnet der Essener Staatsschutz eine organisierte Essener Skinhead- oder Neonazi-Szene, obwohl es jahrelang Treffpunkte von Leuten aus dem Umfeld der verbotenen Nationalen Front oder der Jungen Nationaldemokraten gab und insbesondere in Stadtteilen wie Essen-Steele und Borbeck immer wieder enge, bandenähnliche Zusammenhänge bekannt wurden. "Durch die Berichterstattung im vergangenen Jahr hat sich das Anzeigeverhalten der Bevölkerung verändert", so Jürgen Lui lapidar, Leiter des Polizeilichen Staatsschutzes in Essen. Also kein Grund zur Aufregung, oder? Ratsmehrheit blockiertAuch die Mehrheit im Essener Stadtrat will die Entwicklung der rechtsradikalen Szene einfach nicht wahrhaben. Nachdem Oberbürgermeister Dr. Reiniger im Mai dringend nach Erfurt musste, als 1.800 Menschen in Essen gegen den Aufmarsch der NPD demonstrierten, war die Frage der Gegenwehr gegen Rechts zwar mehrfach Thema im Rat, jedes Mal auf Antrag der PDS. Beschlossen wurde jedoch nur Unverbindliches, das nicht wehtut. Dazu gehören die Festlegungen, die traditionelle Veranstaltung von Jüdischer Gemeinde und Stadt am 9. November in der Alten Synagoge auszubauen und zu prüfen, ob und wie der 27. Januar, der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, von der Stadt als Gedenktag begangen werden kann. Vorschläge der PDS-Gruppe aus dem letzten halben Jahr wie die Unterstützung des Runden Tisches, die Einrichtung einer Antidiskriminierungs-Stelle bzw. wenigstens eines Antidiskriminierungs-Berichtes oder ein Hearing zum Thema "Rechtsradikalismus in Essen - Ursachen, aktuelle Lage, Gegenstrategien" wurden glattweg abgelehnt. Der letztgenannte Antrag war eine direkte Reaktion auf den brutalen Überfall von Skinheads in Borbeck auf einen 14-jährigen Schüler, der einen Antifa-Aufkleber auf seine Schultasche geklebt hatte. Vor allem die Hinterbäkler der CDU sehen darin anscheinend kein Problem. Sie nahmen noch jeden Antrag zum Anlaß zu wüster Pöbelei gegen die PDS-Vertreter. Damit hinkt die Stadt Essen weit hinter anderen Städten hinterher. In Städten wie Dortmund und Bochum lädt seit Monaten selbstverständlich der Oberbürgermeister zu den Runden Tischen ein, zu den Teilnehmern gehören zumindest auch einzelne Initiativen und Organisationen wie die VVN-BdA. In Köln haben auch CDU und FDP die Einrichtung einer Anti-Diskriminierungsstelle bei der Stadt unterstützt. Freilich, in Essen wäre das für die Verwaltung selbst wirklich gefährlich, wenn man z.B. an die rassistische Kampagne von Ordnungsdezernent Hinsen gegen die libanesische Bevölkerung denkt. Tatsächlich lenkt insbesondere die CDU von jeder Kritik am Rechtsradikalismus immer wieder durch den Verweis nach Links ab. Damit verharmlost sie die rechten Gewalttäter. In der August-Sitzung des Rates haben CDU und FDP selbst eine Bekräftigung der alten Ratsbeschlüsse gegen die Vergabe von städtischen Räumen an rechtsradikale Gruppen abgelehnt - sie käme allerdings auch schnell in Konflikt mit den REP, die sich programmatisch kaum von der NPD unterscheiden und im Stadtrat bei fast jeder wichtigen Entscheidung mit CDU und FDP gestimmt haben.
Aktivitäten für Anti-Diskriminierung nach wie vor nötigSPD und Grüne haben zwar etliche Anträge der PDS unterstützt, jedoch so gut wie keine eigenen Aktivitäten entwickelt. Dabei war Essen eine der ersten Städte, in denen der Rat eine Resolution gegen Diskriminierung beschloß. Initiator der 1998 einstimmig vom Rat verabschiedeten Resolution waren die Grünen. Diese Resolution könnte wichtige Anhaltspunkte für eine Mobilisierung gegen Rechts bieten, weil sie das Augenmerk auf gesellschaftliche Diskriminierung in jeder Form richtet. Und der Rassismus der rechtsradikalen Szene funktioniert nur, weil die Gesellschaft Rassismus stützt. Mit Ausnahme von Ansätzen der Zusammenarbeit der Stadtspitze mit dem Forum Essener Lesben und Schwuler (F.E.L.S) hat diese Resolution jedoch keine Konsequenzen gehabt. Umso weniger ist es nachvollziehbar, dass keine der beiden anderen Oppositions-Fraktionen an dieser Resolution anknüpfen will. Im Gegenteil: Die Anträge der PDS zur Einrichtung einer Anti-Diskriminierungs-Stelle bzw. einer Anti-Diskriminierungs-Berichterstattung fanden auch bei rosa-grün keine Unterstützung. Dabei wäre doch selbst ein schlechter Bericht der Verwaltung über die Entwicklung der rechtsradikalen Szene und mögliche Gegenmaßnahmen besser, als gar keiner. Auch ein schlechter Bericht würde nämlich immerhin eine Diskussion im Rat ermöglichen und so zur Auseinandersetzung mit dem Problem beitragen. Auch bei Initiativen und Organisationen des Runden Tisches für Menschenrechte, gegen Rassismus und Rechtsradikalismus gibt es Überlegungen für eine Anti-Diskriminierungsstelle. Sie sollte auch Aufgabe haben, Aktivitäten der Stadt mit denen "von unten" zu verknüpfen. Insofern ist das Thema sicherlich nicht erledigt und sollte spätestens dann wieder aufgegriffen werden, wenn Erfahrungen aus anderen Städten vorliegen. Wolfgang Freye
Abgelehnt - Antrag "Rechtsradikale Übergriffe in Essen", Januar 2001Der Rat möge beschließen:
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