Ratsgruppe Essen


 

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STADTROTINFO
NR. 5, DEZEMBER 2000
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Gleichstellung im Schneckentempo

Fünfter Bericht zur Frauenförderung - Neuer Förderplan

Bereits bei der September-Ratssitzung stand der fünfte Bericht zur Frauenförderung auf der Tagesordnung. Der Bericht weist auf einige Erfolge hin, die das Ergebnis der engagierten Arbeit der Gleichstellungsstelle und vieler anderer, vor allem Frauen, für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Stadtverwaltung Essen sind. Eine zentrale Frage drängt sich bei der Lektüre des Berichts jedoch auf: Warum werden Initiativen und Maßnahmen zur Gleichstellung von Frau und Mann eigentlich immer noch als Initiativen und Maßnahmen zur Förderung von Minderheiten hingestellt?


DGB-Aktion am "Internationalen Frauentag" in Essen

Bei der Stadtverwaltung sind Frauen jedenfalls mit 54 % der Gesamtbeschäftigten ganz eindeutig in der Mehrheit. Schaut man etwas genauer hin, relativiert sich das Bild. Wenn es um beruflichen Aufstieg geht, sind Frauen ganz eindeutig weiterhin im Nachteil. Dies läßt sich durch alle Laufbahngruppen der Stadtverwaltung einschließlich des Arbeiterbereichs nachvollziehen.

"Beförderungsstau" für Frauen

Es ist eine vernichtende Feststellung wenn es in dem Bericht heißt: "Von insgesamt 53 Beförderungen im höheren Dienst entfielen gerade mal 5 auf Frauen, d.h. weniger als 10 %. Lediglich in der Besoldungsgruppe A7 (einfacher Dienst, d. Verf.) und A10 (gehobener Dienst, d. Verf.) wurden mehr Frauen als Männer befördert." Wenn Frauen aber nicht überproportional befördert werden, wenn sie nicht überproportional am beruflichen Aufstieg teilnehmen, ändert sich fast nichts. Bei der "Draufsicht" kann frau sich des Eindrucks nicht erwehren: Trotz aller Fördermaßnahmen - Frauen sind erfreulicherweise ziemlich gut an Fort- und Weiterbildungsangeboten beteiligt - hat sich fast nichts geändert. Besonders plastisch sind die Zahlen im gehobenen Dienst: Während in den Einstellungsämtern bzw. Vergütungsgruppen A9/A10 bzw. Vb/IVb die Frauen noch deutlich überwiegen (1.064 Frauen gegenüber 532 Männern), sind sie bereits ab der ersten "Aufstiegsvergütungs-/besoldungsgruppe" A11/IVa in der Minorität (339 Frauen gegenüber 415 Männern). In diese Stufe kommt kaum noch jemand "automatisch", hier findet Auslese statt.

In den beiden höchsten Besoldungs-/Vergütungsgruppen des gehobenen Dienstes A12/A13 bzw. Vergütungsgruppe III und II wird das Geschlechterverhältnis noch krasser zuungunsten von Frauen verändert (152 Frauen gegenüber 475 Männern). Dies läßt sich keinesfalls mehr mit der Beförderung nach Eignung und Befähigung erklären. Hier hat eine ganz massive Bevorzugung von Männern stattgefunden, hier spielen dann Seilschaften eine Rolle, hier sorgen die Männer an den Schaltstellen dafür, daß Männer nachrücken und alles so bleibt wie es ist.

Weiterhin sind Frauen der Doppelbelastung Haushalt und Beruf ausgesetzt, verzichten Frauen "freiwillig" oder durch den Zwang der Verhältnisse auf Beteiligung am Berufsleben, am beruflichen Aufstieg. So sind sie es, deren berufliche Chancen durch Teilzeitarbeit und/oder Erziehungsurlaub herabgesetzt werden. Die Gleichberechtigung ist nicht zu erreichen, wenn nicht die Arbeit anders gestaltet wird, wenn nicht die Anforderungen des Arbeitgebers Stadt so geändert werden, daß Frauen und Männer sie erfüllen können. Von den rd. 117.000 Überstunden, die die Beschäftigten der Stadtverwaltung in diesem Jahr schon geleistet haben, wurden ein Großteil von Führungskräften und Beschäftigten in Stabsstellen erbracht. Anders ausgedrückt: Wer etwas werden will, muß seine Arbeitskraft ohne Beachtung der tariflich auf 38,5 Wochenstunden gegrenzten Arbeitszeit zur Verfügung stellen. Die jederzeitige Verfügbarkeit geht auf Kosten der Familie, des Freundeskreises, von Hobbys und der Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Wer das nicht kann (wie viele Frauen) oder nicht will, bleibt vom beruflichen Aufstieg ausgeschlossen. Auf Anfrage der PDS wird die Verwaltung im Ausschuß Allgemeine Verwaltung und Personal über die Entwicklung der Überstunden berichten.

Neuer Frauenförderplan vom Rat verabschiedet

Im November verabschiedete der Stadtrat den neuen Frauenförderplan, der erstmals nach den Vorgaben des seit einem Jahr gültigen Landesgleichstellungsgesetz vorgelegt wurde. Auf den "letzten Drücker", sonst wären nämlich - darauf hat die Gleichstellungsbeauftragte vorsorglich hingewiesen - "Einstellungen, Beförderungen und Übertragungen höherwertiger Tätigkeiten auszusetzen" gewesen.

Das wirklich "Neue" am neuen Frauenförderplan: Er schreibt verbindliche Ziele vor. Entsprechend vorsichtig sind die Ziele gesetzt. So soll in Besoldungsgruppe A11/Vergütungsgruppe IVa nichttechnischer Dienst der Frauenanteil von z.Z. 45,67 % auf 49 % gesteigert werden, im technischen Dienst von derzeit 20,64 % auf 22 %. Der Anteil der gelernten Arbeiterinnen soll von 20,17 % auf 21 % gesteigert werden. Eine regelmäßige Kontrolle soll die Einhaltung der Zielvorgaben sicherstellen.

Gleichstellung von Mann und Frau ist nicht das Thema von Frauen allein - immer noch hat sich dieser Gedanke nicht durchgesetzt. Auch im Rat, in den Ausschüssen ist die Gleichberechtigung, die gleichberechtigte Teilhabe mehr Theorie als gelebte Praxis. Die Behandlung sowohl des Berichts im September wie auch des neuen Frauenförderplans im November im Ausschuß für Allgemeine Verwaltung und Personal (AVP) war für viele mehr Pflichtübung, denn ernsthafte Befassung mit dem Problem - auch der AVP hat eine deutliche Männermehrheit. Geht die Gleichstellung in diesem Schneckentempo weiter, werden wir alle sie nicht mehr erleben.

Außerhalb kleiner Zirkel besteht immer noch ein zu geringes Interesse am Thema - in Stadtverwaltung und Rat. Gerade deshalb ist die Arbeit der Frauenbeauftragten in der Stadtverwaltung so wichtig, sie wird zurecht im Bericht zur Frauenförderung besonders gewürdigt und hervorgehoben. Bisher ist ihnen ein ausgewiesenes Stundenkontingent für diese wichtige Arbeit jedoch verweigert worden. Sie engagieren sich für die Gleichstellung neben ihrer normalen Arbeit. Das ist auf Dauer eine Überforderung und wird nicht zu dem erklärten Ziel der Frauenförderung führen. Hier ist dringender Nachbesserungsbedarf gegeben.

Gabriele Giesecke

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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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