Ratsgruppe Essen


 

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STADTROTINFO
NR. 4, NOVEMBER 2000
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Ganz Rechts: Dr. Reiniger bei Milli Görüs

Trotz öffentlicher Kritik, trotz massiver Warnungen auch aus der städtischen Delegation, die wenige Tage vorher von einer Israel-Reise zurückkehrte, ließ sich Oberbürgermeister Dr. Reiniger nicht davon abhalten, am 14.10. 2000 beim Jugendtag der türkischen Organisation Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) in der Grugahalle zu sprechen. Herzlich willkommen hieß er damit eine Organisation, die für rechten Islamismus und für Antisemitismut steht. Und sowohl im Hauptausschuß als auch in der Ratssitzung ließ Herr Dr. Reiniger nur äußerst sachte anklingen, daß er nicht ganz im Bilde war. Ansonsten verteidigte er seinen Auftritt.

Zur Hauptausschuß-Sitzung am 18.10. hatte PDS-Ratsfrau Gabriele Giesecke eine ausführliche Anfrage eingebracht. Darin stellte sie klar, daß die PDS kein Verständnis für den Auftritt bei Milli Görüs hat, gerade in der derzeitigen Lage. "Die IGMG vertritt extrem rechte, islamistische Positionen und ist antisemitisch. In Schulungstexten findet man unter der Rubrik ‚unsere Feinde' den Kommunismus, das Kapital und eben ‚den' Juden ... Die IGMG ist auch laut Verfassungsschutzbericht - der in diesem Punkt Recht hat - eine islamistische Organisation, die einen weltweiten, islamischen ‚Gottesstaat' zum Ziel hat."

Die IGMG wurde 1972 als AGMT als Anhängsel der 1980 verbotenen MSP (Nationale Heilspartei) gegründet, war in den 90er Jahren eng mit der 1997 verbotenen Refah-Partei verbunden und arbeitet heute mit deren Nachfolger, der Fazilet-Partei zusammen. Die Refah-Partei hat in der Türkei Wahlbündnisse mit der faschistischen MHP gebildet, die Partei der "Grauen Wölfe", die für zahlreiche Terror- und Mordanschläge in der Türkei und auch im Ausland steht.

Die anschließenden Fragen, die klären sollten, wie weit Dr. Reiniger informiert war, ließ er trotz heftigster Kritik von SPD, Grünen und PDS weitgehend unbeantwortet. In der Ratssitzung wurde diese Haltung noch "getoppt": Ein Antrag von B. 90/Grüne, nach dem die (ur)alten Ratsbeschlüsse gegen die Vergabe städtischer Räume an rechtsradikale Organisationen in Zukunft auch gegen Milli Görüs Anwendung finden sollen, wurde von CDU, FDP und REP abgelehnt. Ob es bei Wiederholungen auch wieder OB-Grüße gibt, wird man sehen.

(wof)
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Initiative gegen Rechts ergriffen

Bereits in der August-Sitzung des Rates war Antifaschismus ein Thema

Widerwillen bestimmte seitens der Ratsmehrheit schon im August die Debatte, als die PDS nach der breiten öffentlichen Diskussion im Sommer den Tagesordnungspunkt "Initiative für einen Runden Tisch bzw. eine Ideenwerkstatt gegen rechtsradikale Aktivitäten in Essen" beantragt hatte. Einen Runden Tisch wollten CDU und FDP partout nicht, ebensowenig wie die REP, die die PDS-Ratsmitglieder heftig persönlich angriffen. Immerhin übernahm die CDU den ersten Punkt des PDS-Antrages in einen eigenen Antrag, forderte die Landesregierung auf, die "angekündigten Maßnahmen gegen den Rechtsradikalismus" (welche eigentlich?) zu bündeln und die jährliche Gedenkveranstaltung am 9. November in der Alten Synagoge zu einer "zentralen Veranstaltung gegen Gewalt und Rassismus" auszuweiten. Und das war's dann.

Die SPD unterstützte die einzeln abgestimmten Punkte des PDS-Antrages, B. 90/Die Grünen setzten sich kritisch mit den angesprochenen "ordnungspolitischen Maßnahmen" auseinander und lehnten zur Überraschung unserer Ratsmitglieder die Einrichtung einer städtischen Antidiskriminierungsstelle ab. Eine solche Stelle könnte den über die Stadtgrenzen hinaus als vorbildlich angesehenen, zwei Jahre alten Beschluß des Rates gegen Diskriminierung mit Leben füllen als auch eine Vernetzung zu den Initiativen und Organisationen, die seit vielen Jahren antifaschistische und antirassistische Arbeit machen, herstellen.

Darüber wird sicherlich noch einmal gesprochen.

(wof)

Aus der Rede von Hans-Joachim Stahl

... Seit 1980, so verlautet es von Expertenseite, ist von einem rechtsradikalen Sockel von 10 bis 15 % der Bevölkerung auszugehen, der weit bis in die Mitte unserer Gesellschaft reicht. Tagtäglich und nicht nur in den letzten Monaten sind Ausländer, Migrant/innen, jüdische Mitbürger/innen, Behinderte, Obdachlose, demokratisch engagierte Linke und Gewerkschafter von rechtsradikalen und rassistischen Übergriffen, Diskriminierungen, Bedrohungen und Beschimpfungen betroffen. Diese Minderheiten ... benötigen auch im Eigeninteresse der Stadt und der demokratischen Öffentlichkeit Solidarität, Schutz und Unterstützung ...

Die CDU hat im NRW-Landtagswahlkampf mit Wahlparolen wie "Kinder statt Inder" geworben. CSU-Chef Stoiber spricht von der "Durchrassung der Gesellschaft", der bayerische Innenminister Beckstein knüpft mit dem Ausspruch "mehr Ausländer, die uns nutzen und weniger, die uns ausnutzen" an nationalsozialistisches Gedankengut an. Innenminister Schily bediente in gleicher Weise das rechte Wählerpotential ... und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte im Wahlkampf 1998 "kriminelle Ausländer raus, und zwar sofort" ...

Appelle an die Zivilcourage, Forderungen nach ordnungspolitischen Maßnahmen und dem Verbot der NPD als nur einer der rechtsradikalen Organisationen neben DVU und REP greifen deshalb viel zu kurz ...

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Dokumentiert:

Antrag der PDS in der August-Sitzung des Rates

Initiative für einen Runden Tisch

Angesichts zunehmender gewalttätiger und menschenverachtender Übergriffe gegen Flüchtlinge, Migrant/innen und andere Minderheiten sowie der Ausweitung der Aktivitäten rechtsradikaler Organisationen auch in Essen bekräftigt der Rat der Stadt Essen seine entsprechenden Beschlüsse vom 23.2.1987, 11.10.1987 und 15.6.1994. In diesem Sinne begrüßt der Rat der Stadt die Überlegungen zur Prüfung eines Verbotes der NPD, die selbst immer eindeutiger Bezug auf NS-Traditionen nimmt. Da ordnungspolitische Maßnahmen allein jedoch nicht ausreichen, beauftragt der Rat der Stadt Essen die Verwaltung,

  1. zur nächsten Ratssitzung einen Bericht über alle Aktivitäten der Stadt vorzulegen, bei denen es darum geht, der Verbreitung rechtsradikalen, rassistischen Gedankenguts einen Riegel vorzuschieben, wozu z.B. die Arbeit des JIZ gehört;
  2. Vorschläge zu einer Verbesserung und Ausweitung dieser Aktivitäten zu unterbreiten, insbesondere zur Einrichtung einer städtischen Antidiskriminierungsstelle, die sowohl in die Verwaltung hineinwirken soll als auch die Zusammenarbeit mit entsprechenden Gruppen und Initiativen in der Stadt Essen verbessern soll;
  3. die Initiative des Interkulturellen Solidaritätszentrums/Anti-Rassismus-Telefons aufzugreifen und zu einem "Runden Tisch" bzw. einer Ideenwerkstatt aller antifaschistischen und antirassistischen Gruppen und Initiativen, Jugendorganisationen und -einrichtungen, Gewerkschaften, Schulen, Sportvereine, Kirchen und demokratischen Parteien einzuladen, um eine breitere Diskussion von Vorschlägen für gesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsradikalismus einzuleiten.

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Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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