Ratsgruppe Essen


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aus STADTROTINFO
NR. 3, JULI 2000
Achim Stahl

Ideologische Scheuklappen wenig hilfreich

Einwohnerverluste sind durch Eigentumsförderung allein nicht zu stoppen

Der drastische und anhaltende Rückgang der Einwohnerzahlen in Essen ist ein elementares wie existentielles Problem für die Zukunft der Stadt und es ist wohl niemand hier im Saal, der der strategischen Entgegnung durch "Stabilisierung der Einwohnerzahl durch Umkehr des Abwanderungstrends" und "Weiterer Überalterung der Bevölkerung entgegenzuwirken" nicht die zentrale Priorität für die Stadtpolitik gibt.

An der Debatte des Rates zu den Einwohnerverlusten der Stadt Essen - die Einwohnerzahl sank jetzt unter 600.000 - beteiligte sich Achim Stahl für die PDS-Ratsgruppe. Wir dokumentieren seinen Redebeitrag.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen allerdings darüber, welche hauptsächlichen Gründe zur Abwanderung führen oder welche kommunalpolitischen Maßnahmen erforderlich sind, um den Trend zu stoppen bzw. zu mindern. Dazu bedarf es in nächster Zukunft noch intensiverer Analysen und Recherchen von Seiten der Verwaltung, um ein Bündel von aufeinander abgestimmter Maßnahmenpakete schnüren zu können.

Es ist sicherlich voreilig sich im wesentlichen nur auf Bereitstellung von Wohnbauflächen und Förderung von Wohneigentum zu beschränken. Auch die Zweitwohnungssteuer ist unserer Auffassung nach kein geeignetes Steuerungsmittel. Die vorgeschlagenen Umschichtungen von Haushaltsmitteln mit dem Ziel der Finanzierung von Maßnahmen zur Stabilisierung der Einwohnerzahl müssen sehr genau und im einzelnen geprüft werden, um nicht eher zu einer Verstärkung des Abwanderungstrends beizutragen. Das HASIKO und die darin vorgesehenen Einsparungsvorhaben haben nicht das Image und die Erreichung wichtiger Bereichziele wie "Essen - soziale Großstadt", "Essen - die Gesundheitsstadt", "Essen die kinderfreundliche Stadt" im Auge, sondern tragen zum Attraktivitätsverlust und somit zur Beschleunigung des Abwärts und Abwanderungstrends bei.

Es bedarf einer abgewogenen und ausgewogenen Abstimmung sozialer, kultureller, bildungs-, und jugend- und kinderfördernder, ökonomischer und ökologischer Maßnahmen, um die Infrastruktur und Anziehungskraft des städtischen Umfeldes zu entwickeln.

Bei den Wegzügen, soweit es sich um Wegzüge zur Bildung von Wohneigentum handelt, können auch die Grundstückspreise in Essen eine Rolle spielen. 5000 DM/qm in mittlerer Wohnlage, dh. in Frohnhausen, Steele oder ähnlichen Stadtteilen, ist auch nach Aussage des Gutachterausschusses eher mehr, als in umliegenden Städten gezahlt werden muss. In Hattingen, Niederwenigern, Langenberg, Dorsten und Kirchhellen, teilweise sogar in Mülheim sind die Grundstückspreise niedriger.

Hier können übrigens - jenseits von ideologischen Scheuklappen - ganz andere Wege eingeschlagen werden. In anderen Ländern wie den Niederlanden, das sich ja durchaus nicht durch ein sozialistisches System auszeichnet, war es z.B. nach den 2. Weltkrieg lange Zeit die Regel, dass die Kommunen, die den größten Besitz an Grund und Boden hatten, ihre Grundstücke überhaupt nicht verkauft haben, sondern mit sehr langfristigen Mietverträgen oder auf der Basis von Erbpacht für 99 Jahre verpachtet haben.

Wenn die Stadt Essen mit dem städtischen Grund und Boden einen solchen Weg gehen würde, und städtische Grundstücke auch in dieser Weise "vermarkten" würde, wäre der zu zahlende Preis für Bauland ausgesprochen gering und würde überdies als Nutzungsgebühr in Raten abgezahlt. Für die Stadt würde dies auf Dauer gesicherte Einnahmen bedeuten und gleichzeitig auch noch in Jahrzehnten, nach dem Ablauf eines Vertrages, Einfluss auf die Nutzung der Grundstücke sichern. Entsprechende vertragliche Gestaltungen sind durchaus denkbar.

Der PDS ist wichtig, dass die Frage der Wegzüge nicht fast ausschließlich als Frage der Wohnungseigentumsbildung diskutiert wird. Es geht darum, die Stadt lebenswerter zu machen, die Stadtteile insbesondere im Norden aufzuwerten und zu verbessern. Dahinter stecken stadtplanerische Aufgaben.

Die Lebensqualität einer Stadt wird für die meisten Menschen nicht allein an den Möglichkeiten der Eigentumsbildung gemessen. Die Frage der Entwicklung der Einwohnerzahlen kann dabei auch nicht im Vordergrund stehen, sondern die Frage nach der Lebensqualität.


Letzte Änderung: 07.04.2002 - os
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