NRZ 31.01.2001 LOKALAUSGABE DUISBURG
Gericht stellt Prozess gegen PDS-Vertreter einVor Saal 148 des Amtsgerichts Stadtmitte gab es gestern Applaus. Günter Ackermann (60), Kreisvorstandsmitglied der PDS, wurde von Sympathisanten mit Blumen überhäuft. Im Zusammenhang mit dem Protest gegen die Abschiebung der Roma-Familie Zumberov war Ackermann wegen Beleidigung angeklagt. Doch das Gericht stellte das Verfahren ein. Zwei Strafbefehle über 4200 Mark waren dem Mitglied der Bezirksvertretung Mitte ins Haus geflattert. Laut Staatsanwalt hatte Ackermann am 19. Juli 2000, während des Abtransportes der Flüchtlings-Familie Zumberov, Mitarbeiter des Ordnungsamtes durch einen Hitlergruß beleidigt. In einem Offenen Brief an Rechtsdezernent Jürgen Brandt warf Ackermann diesem im August vor, eine rassistische Politik zu betreiben. Brandt habe Spielräume nicht ausgenutzt, sondern sei "Überzeugungstäter". "Sie sind kein Rechtsdezernent, sondern rechter Dezernent", hieß es in dem Schreiben, das prompt zur zweiten Anzeige durch die Stadt führte. Günter Ackermann legte gegen die Strafbefehle Widerspruch ein und rechtfertigte sich gestern öffentlich. Als Mutter und Kinder Zumberov am 19. Juli 2000 von Mitarbeitern des Ordnungsamtes "wie Verbrecher abgeführt wurden", um den Rückflug nach Mazedonien anzutreten, habe er vor Wut und Hilflosigkeit nicht gewusst, was er tun sollte. "Ich habe schon oft Protestlisten unterschrieben. Aber diese Menschen hatte ich persönlich kennengelernt. Da habe ich die Hand gehoben und gesagt: Ich schäme mich Deutscher zu sein." Richterin Claudia Müller-Lühlhoff sah in den Äußerungen des Briefs keine strafrechtliche Bedeutung. "Das ist ein Grenzfall, der aber vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt wird", erläuterte sie. Es habe sich vornehmlich um Kritik an der Sache, nicht um eine Schmähung Brandts gehandelt. Der Dezernent stehe in der Öffentlichkeit, und müsse sich auch harsche Kritik gefallen lassen. Der Hitlergruß stelle zwar eine Beleidigung dar, sei aber angesichts der Gesamtumstände und der Erregung des bislang unbescholtenen Angeklagten ein geringfügiger Verstoß. Mitglieder des Solidaritätskomitees "Zivilcourage gegen Abschiebung" begrüßten die Einstellung des Verfahrens einhellig. "Der Versuch, politische Gegner durch Strafverfahren einzuschüchtern, ist gescheitert", so Irina Neszeri, PDS-Vize-Fraktionschefin im Rat der Stadt. Das sah HBV-Gewerkschaftssekretär Wiard de Vries ähnlich. Die Anzeigen gegen Ackermann hätten gezeigt, wie die Stadt auf Kritik reagiere. "Zieling und Brandt und der Rat der Stadt sind die eigentlichen Verlierer des Prozesses." Aus dem Rathaus gab es gestern nur einen Kurz-Kommentar: "Die Entscheidung ist unverständlich", so ein Sprecher des Presseamtes. "Es ist bedauerlich, dass der Schutz der Mitarbeiter des Ordnungsamtes für das Gericht keine Rolle spielte." Bodo Malsch
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